Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsstrafrecht

… ist eine komplexe Materie, allein wenn man einmal auf die Vielzahl der hier in Frage kommenden Straftatbestände blickt. Neben den Straftatbeständen im StGB findet sich eine Fülle von weiteren Tatbeständen in Neben-oder Spezialgesetzen: Gesetze wie das OWiG,  BImSchG, AÜG, MarkenG, GmbHG, AO, EStG, InsO, UWG oder so exotisch klingende Normen wie das LFBG („Lebensmittel- Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzbuch“, spielt eine maßgebliche Rolle bei den immer wieder aufkommenden Lebensmittelskandalen) bilden hier oftmals die Grundlage staatlicher Ermittlungstätigkeit.

Ungebetene Gäste

Die betroffenen Unternehmen und Mitarbeiter sehen sich oftmals mit unangekündigten Razzien, Hausdurchsuchungen oder Beschlagnahmeaktionen durch Polizei und Staatsanwaltschaft konfrontiert. Die dortigen (Hemm-)Schwellen der Strafverfolger für ein entsprechendes Vorgehen sinken dabei in jüngster Vergangenheit immer weiter:
Beispielsweise war ich mit einem Fall befasst, bei dem eine ältere Frau auf einem angeblich nicht geräumten Gehsteig ausgerutscht ist und sich den Fuß brach. Eine Abordnung von mehreren Polizeibeamten durchsuchte in der Folge „publikumswirksam“ die gesamten Betriebsräumlichkeiten des betroffenen regional bekannten und örtlich verwurzelten Druckereibetriebes nach etwaigen Arbeitseinteilungslistungen für den Schneeräumdienst.
Das Beispiel zeigt ein großes Problem in diesem Bereich auf: Ermittlungen und Ermittlungsmaßnahmen gegen Unternehmen können für diese sehr schnell existenzbedrohende Ausmaße annehmen! Polizei und Staatsanwaltschaft ist es in der Regel herzlich egal, ob der „Aufmarsch“ mit mehreren Streifenwagen und Uniformierten zu einer Rufschädigung führt oder ob etwa die umfangreich beschlagnahmten Arbeitsunterlagen, Rechner oder Datenträger dringend zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes benötigt werden – Unschuldsvermutung hin oder her.

..und die Folgen

Nicht zuletzt sind es aber auch die zivil- oder öffentlich - rechtlichen Folgen, die sich an eine strafrechtliche Verurteilung anschließen, welche ein Unternehmen  schwer treffen können.
Es drohen etwa beispielsweise:

  • zivilrechtliche Klagen / Klagewellen
  • Verlust der Anlagenbetriebserlaubnis
  • Verlust der Fahrerlaubnis, des Piloten- oder Jagdscheines
  • Verlust der Gaststättenbetriebserlaubnis oder des Gewerbescheins
  • Verhängung von Buß- und / oder Zwangsgeldern, z.B. durch die BaFin
  • Öffentlich – rechtliche Auflagen, z.B. Fahrtenbuch für Kraftfahrzeug oder Offenlegung von Geschäftsunterlagen


Gerade bei größeren Unternehmen, die zwar finanzstark aber auf entsprechende Sondergenehmigungen angewiesen sind, liegt hier oft der wunde Punkt.



„So viel wie nötig, so wenig wie möglich“


Nichts desto trotz bieten sich gerade auch in diesem Bereich aufgrund seiner Komplexität gute Möglichkeiten für eine effektive Verteidigung. Die Anforderungen der Strafprozessordnung an die Beweislast für den Schuldnachweis sind hoch. Diese Beweislast obliegt immer der Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde, auch wenn die Ermittler oft genug vorgeben, dass man bereits „alles wüsste“ und es nun in der Hand des Betroffenen liege, möglichst schnell und umfassend „reinen Tisch“ zu machen. Eine sinnvolle Verteidigung wird hier oftmals durch das Prinzip „so viel wie nötig aber so wenig wie möglich“ bestimmt. Der Verteidiger hat – neben der rechtlichen Betreuung des Betroffenen – auch die Funktion, die notwendige Ruhe und Objektivität in das Verfahren zu transportieren und diesen vor „Schnellschüssen“ bei seiner Einlassung zu warnen. Gleichzeitig muss er aber den wirtschaftlichen und wirtschaftrechtlichen Background haben und ermitteln, was für den Betroffenen oder das betroffenen Unternehmen in der jeweiligen Situation am besten ist. Beispielsweise kann es auch Situationen geben, wo man schnell und  geräuschlos ein Geständnis abgibt und damit einen zügigen Verfahrensabschluss herbeiführt. Das Vorgehen sollte jedoch auf jeden Fall sehr sorgfältig abgewogen werden.


„Ich möchte dazu nichts sagen“



Gerade bei größeren Betrieben sind möglicher Weise auch mehrere Anwälte von Nöten, da in Strafsachen die sogenannte Mehrfachvertretung, d.h. die Vertretung mehrerer in ein- und derselben Tat Beschuldigter durch einen Verteidiger verboten ist, § 146 StPO.
Sofern die Mitarbeiter selbst beschuldigt bzw. verdächtig sind, müssen sie sich zu dem Vorwurf nicht äußern. Gleiches gilt, wenn sie zwar als Zeugen befragt werden, aber die wahrheitsgemäße Beantwortung sie selbst dem Risiko strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. Dann besteht gemäß § 55 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht, da in einem Rechtsstaat niemand dazu gezwungen werden darf, sich selbst anzuklagen (Schon im alten Rom gab es diesen Grundsatz: „Nemo tenetur se ipsum accusare“ ).

Wissenswert ist übrigens auch, dass der Polizei grundsätzlich die rechtliche Handhabe fehlt, eine Zeugenaussage zu erzwingen.  Hier kann ein betroffener Mitarbeiter zunächst ohne weitere Angabe von Gründen sich dahin gehend einlassen, dass er zu der betreffenden Frage zunächst nichts sagen möchte, ohne vorher einen Anwalt gesprochen zu haben.

 

Prävention statt Reaktion – ein paar Gedanken zum Thema Compliance

Ein weiterer Punkt, der gerade in jüngerer Zeit zunehmende Bedeutung erlangt, ist die praktizierte Prävention. Damit ist nicht etwa gemeint, dass der Rechtsanwalt mithilft, Beweismittel verschwinden zu lassen oder Ähnliches. Vielmehr werden durch gezielte Beratung Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten vermieden. Nicht ohne Grund liest und hört man in den Medien immer öfter Schlagworte wie Compliance und Corporate Governance, gerade größere Unternehmen leisten sich auch eigene Complianceabteilungen und Compliancebauftragte, die die Regelkonformität unternehmerischen Handelns sicherstellen sollen.

Erstaunlicher Weise handelt es sich, wie die Erfahrung (zumindest die meine) zeigt, recht oft um Betriebswirte oder Wirtschaftsjuristen, die gerade im strafrechtlichen Bereich im günstigsten Fall theoretische Kenntnisse haben. Außerdem sind sie selbstverständlich nicht vollkommen unabhängig, da auch sie letzten Endes nichts anderes als weisungsgebundene Angestellte ihres Arbeitgebers sind. Im Übrigen: Nicht alles was aus betriebswirtschaftlicher Sicht auf den ersten Blick „compliant“ ist, ist auch automatisch immer strafrechtlich einwandfrei. Nur vor diesem Hintergrund lassen sich wohl  die immer wieder von den  Medien genüsslich thematisierten strafrechtlichen Verfehlungen erklären, die gerade bei großen DAX-Konzernen regelmäßig aufgedeckt werden. Der Einsatz eines praktisch erfahrenen Strafjuristen, der sich auch einmal unangenehme Wahrheit auszusprechen traut, kann an dieser Stelle von großem Wert sein: Problematische Situationen und Geschäftspraktiken können ausdrücklich thematisiert und somit vermiedene werden. Abschließend nur ein paar einfache Beispiele aus meiner Praxis, die mir schon des Öfteren begegnet sind:

  • Bei einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) ist innerhalb von drei (!) Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen, sonst droht Strafbarkeit!
  • Die Nichtabführung von Arbeitnehmer-Sozialversicherungsbeiträgen kann bereits bei einer geringfügigen Zeitüberschreitung strafbar sein; Arbeitgeberbeiträge  unterfallen jedoch nicht der Strafbarkeit!
  • Unwahre Werbeangaben können den Tatbestand der strafbaren Werbung erfüllen.
  •  Einlagengeschäfte nach § 1 KWG (Kreditwesengesetz), d.h. die Annahme von Anlegergeldern, können  strafbar sein und massive Buß- und Zwangsgelder nach sich ziehen, wenn sie nicht vorher durch die BaFin genehmigt wurden.
  • Der Abbruch von älteren Gebäuden ohne nähere Information über die Bausubstanz kann empfindliche Strafen nach sich ziehen, wenn etwa Asbest enthalten ist und Sicherheitsvorschriften nicht beachtet werden.