Steuerstrafrecht

…folgt seinen eigenen Regeln und ist auch im Übrigen ein ganz besonderes Gebiet der Strafverteidigung, auch für den Verteidiger.

Die Selbstanzeige gemäß § 371 AO

Allein die in der Abgabenordnung (AO) geregelte Selbstanzeige stellt innerhalb des Strafrechts eine Art Kuriosum dar.

Hier entfällt, anders als etwa bei den Rechtfertigungsgründen (z.B. Notwehr) oder Entschuldigungstatbeständen (Notstand oder Irrtum) des StGB die komplette Strafbarkeit nachträglich – obwohl das Delikt, um das es geht, nämlich die Steuerhinterziehung, bei Abgabe der Selbstanzeige regelmäßig schon komplett vollzogen oder beendet ist.

Wo der Weg hingeht…

Es ist wohl nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber in naher Zukunft die Selbstanzeige abschafft, dazu ist sie viel zu einträglich für den Fiskus, da die angezeigten Beträge selbstverständlich nachversteuert werden. Laut Bericht der "Zeit" vom 24.04.2013 erfolgten in der Zeit von 2010 bis zum Berichtszeitpunkt rund 47.000 Selbstanzeigen, die Selbstanzeiger zahlten aufgrund dessen ca. 2,05 Milliarden Euro an die Finanzämter nach.

Allerdings wurden in letzter Zeit sowohl durch den Gesetzgeber als auch durch die Rechtsprechung die Regelungen verschärft: Eine Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn  bereits die Steuerfahndung auf der Türschwelle steht (sogenannte „Türschwellentheorie“ – heisst tatsächlich so) – das ist schon länger so – oder dem Steuerpflichtigen eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben worden ist – das gibt’s seit 2011. Seit einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2010 geht auch die sogenannte "Teilselbstanzeige" nicht mehr: Bei dieser wurden zunächst nur die entdeckungsgefährdeten Konten angegeben, für diese trat dann teilweise Straffreiheit ein. Nunmehr muss alles angegeben werden, sollten nachträglich weitere nicht angegebene Konten entdeckt werden, ist die Selbstanzeige wirkungslos. Der BGH fordert „vollkommene Rückkehr zur Steuerehrlichkeit“. Auch der Fall Hoeness - wo bekanntlich sehr heftig über die Wirksamkeit der (durch einen Steuerberater erstellen) Selbstanzeige diskutiert wurde – und die "Lawine von (weiteren) Selbstanzeigen" (Manager-Magazin vom 20.05.2013), die er auslöste, zeigt die fortdauernde Relevanz und Brisanz dieses Themas.

Einen weiteren Überblick zu den umfangreichen Nachschärfungen und zur Selbstanzeige können Sie meinen Fachartikeln auf der Internetpräsenz des Anwaltsvereines Berchtesgadener Land (www.anwaltsverein-bgl.de)  und dem Blog auf der Website der ASR-Rechtsanwälte (www.asr.de) entnehmen.

Ansatzpunkte für die Verteidigung

Dennoch bietet sich gerade in diesem Rechtsgebiet eine große "Spielwiese" für den (entsprechend erfahrenen und geschulten) Strafverteidiger. Allerdings sollte der/die Betreffende auch vom Steuerrecht Ahnung haben. Was bringt Ihnen ein Strafrechtler, der das Prinzip der Umsatzsteuer nicht verstanden hat? – die Deutsche Bank, deren „Experten“ im Zusammenhang mit kriminellen Machenschaften um CO2-Zertifikate festgenommen wurden, kann wohl ein Lied davon singen…

Oft werden auch Steuerberater als „Steuerstrafverteidiger“ eingesetzt, was prozessual möglich ist und fachlich gesehen auch Sinn macht. Allerdings zeigt sich, dass diese öfter Probleme haben, mit den nassforschen Steuerfahndern und Staatsanwälten angemessen zu kommunizieren.

Mir ist in diesem Zusammenhang noch der Steuerberater gut in Erinnerung, der mich in einem größeren Steuerstrafverfahren immer dann, wenn es mit der Staatsanwaltschaft etwas zu besprechen gab, um Übernahme der Kommunikation bat. Ein Staatsanwalt musste ihn wohl am Telefon harsch zurecht gewiesen haben… Oft kennt der Steuerberater auch nicht die weiteren Möglichkeiten, die z.B. die Strafprozessordnung neben der  Selbstanzeige bietet. Ein paar seien hier angerissen:

  • Der Nachweis einer Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung ist für die Anklagebehörden – obwohl diese, wie bei der die Staatsanwaltschaft München oft über entsprechend geschulte Spezialabteilungen verfügen – oft sehr schwer zu führen.
  • Selbst wenn ein Tatnachweis geführt werden kann, ist er oft „wackelig“. Dies eröffnet einen schönen Spielraum für eine verfahrensbeendenden Absprache („Deal“), wo für ein Geständnis eine besonders milde Strafe zugesagt wird. Oft gelingt auch eine komplette Verfahrenseinstellung ohne oder mit Geldauflage, wenn die entsprechend Steuer frühzeitig nachentrichtet wurde.

Tipp: Oft ist einer Einstellung gegen Geldauflage (§ 153 a StPO)  sogar der Vorzug vor einer Einstellung ohne Auflage zu geben, da durch sie ein sogenannter beschränkter Strafklagenverbrauch eintritt!
Wenn nämlich  bei späteren Ermittlungen eine weitere (Steuer-)Straftat innerhalb des gleichen tatsächlichen Rahmens zu Tage tritt, stellt die 153a-Einstellung insofern ein Verfolgungshindernis dar! Weiß das Ihr Steuerberater auch…?!?

Wie Sie sich auch entscheiden: Gerade im Steuerstrafrecht, wo viele Betroffene ihr Leben lang noch nicht mit Ermittlungen gegen ihre Person konfrontiert sind, gilt der Grundsatz: „Vertrittst Du Dich selbst, dann vertritt Dich ein Narr“. Daher empfiehlt es sich, schon sehr frühzeitig einen Fachmann Ihres Vertrauens aufzusuchen. Die Kosten hierfür sind in aller Regel wesentlich niedriger als bei einer Verurteilung, bei der Geld- oder Haftstrafe, zusätzlich die Nachversteuerung oder im Extremfall sogar totaler Vermögensverfall drohen.