Betäubungsmittelstrafrecht


…hat in der strafrechtlichen Praxis einen hohen Stellenwert, weshalb ihm hier ein eigenes Kapitel eingeräumt wird.

Ein großer Teil der in Deutschland eingeleiteten Strafverfahren hat Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zum Gegenstand:Das BKA stellt in seinem „Bundeslagebild Rauschgift“ (abrufbar unter  www.bka.de) etwa für das Jahr 2011 eine Zahl von 236.478 registrierten Gesamtdelikten fest, davon 50.791 Handelsdelikte, gegenüber dem Vorjahr ergibt sich damit eine Steigerung von ca. 2%.

Die große Zahl der Betäubungsmitteldelikte hatte natürlich gesetzgeberisches Handeln zur Folge, welches leider oft Ungemach für die – zu Recht oder zu Unrecht – wegen Betäubungsmitteldelikten Verfolgten bedeutet:

Ein großes Problem für den Verteidiger bzw. den Betroffenen stellen hier die unter dem Begriff der „Aufklärungshilfe“ zusammengefassten Normen des § 46 b StGB und des § 31 BtMG dar. Das Grundprinzip dieser auch als Kronzeugenregelungen bezeichneten Normen ist dabei immer gleich: Einem Beschuldigten wird bereits im Vorhinein eine Strafmilderung zugesagt, wenn er über seinen eigene Tat hinaus weitere Taten oder Täter identifizieren hilft, will heißen: Denunziert.

Lange wurde in der Vergangenheit darüber gestritten und diskutiert, ob diese Normen verfassungswidrig sind oder nicht, allerdings halten sie sich bis heute und erfreuen sich bei hinsichtlich ihrer Anwendung bei Gerichten, Polizei und Staatsanwaltschaft großer Beliebtheit. Dies führt regelmäßig dazu, dass:

  • „Lebensbeichten“ abgelegt werden, wo oft auf Druck durch Polizei oder Staatsanwaltschaft, die bei Nichtkooperation mit einem Haftbefehl drohen, eine Vielzahl eigener oder fremder Taten zugegeben wird. Diese sind teilweise – auch das kommt sehr oft vor – sogar falsch, werden aber dennoch zugegeben, etwa weil man mit dem ein- oder anderen Denunzierten sowieso noch „eine Rechnung offen“ hatte oder weil der meist überrumpelte Betroffene schlichtweg alles tut, um nicht ins Gefängnis zu müssen.
  • Belastete Dritte nach dem Motto „wie Du mir, so ich Dir“ dem Beschuldigten ihrerseits neue Taten zur Last lege (sogen. Rückbelastung).
  • Beschuldigte, die mit größeren Drogenmengen erwischt werden, andere  belasten, um sich selbst eine niedrigere Strafe oder die Verschonung von oder Freilassung aus der U-Haft zu erkaufen; letzteres ist zwar eigentlich rechtswidrig, wird aber nach unsererErfahrung gerne öfters durch die Ermittler angeboten.

Es liegt deshalb gerade in Betäubungsmittelsachen sehr viel in der Hand der Verteidigung, die hier für „Waffengleichheit“ und die Einhaltung der Regeln des fairen Verfahrens zu sorgen hat. Bei entsprechend konsequentem Vorgehen sind allerdings hier oft gute Ergebnisse möglich, wie die nachfolgenden Beispiele aus meiner Kanzleipraxis zeigen:

Beispiel 1)

...stammt aus dem Südbayerischen Raum. Hier wurde versucht, den gerade 20-jährigen Betroffenen mit einem Haftbefehl zu überziehen, um ihn zu einer „Lebensbeichte“ zu bewegen.

Der Haftbefehl wurde gestützt auf „Verdunkelungsgefahr“ (so nennt man es, wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte Beweise verschwinden lässt oder Zeugen beeinflusst). Dies deshalb, weil der Betroffene bei Eintreffen der Polizei versucht hatte, sein  Handy aus dem Fenster zu werfen, anschließend hatte er die Tat aber gleich gestanden. Was aber schon durch Geständnis erwiesen ist, kann nicht weiter verdunkelt werden.

Auf meine Beschwerde hin wurde der Haftbefehl vom Landgericht aufgehoben.

Beispiel 2)

...ereignete sich vor dem Amtsgericht München. Hier sah es anfangs recht „düster“ aus: Ein Kronzeuge belastete den Angeklagten schwer, das Gericht sah eine Möglichkeit für eine Bewährungsstrafe nur noch dann gegeben, wenn von vornherein ein Geständnis kommt.

Der Angeklagte blieb allerdings dabei, dass er die ihm zur Last gelegten Verstöße nicht begangen habe. In der Hauptverhandlung gelang es mir dann allerdings durch gezielte Fragen, den Kronzeugen mehrerer fehlerhafter Teilaussagen zu überführen, so dass er letztendlich für das Gericht insgesamt unglaubwürdig wurde und der Angeklagte freizusprechen war.

(Der Begriff des Kronzeugen stammt übrigens aus der englischen Rechtsgeschichte: Jeder Zeuge der Anklage war dort, weil die Anklage den Staat und somit den König repräsentierte, ein „Kronzeuge“.)